Urteil BVerfG: Stärkung der Rechte gleichgeschlechtlicher Paare

Maenner Fruehstueck iurFRIEND® AG

Dienstag, 07.01.2020, geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Waren Sie im öffentlichen Dienst beschäftigt und leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft? Dann sollten Sie überprüfen, ob Ihre Rentenzusatzversorgung nach der richtigen Steuerklasse berechnet wurde. Anlass ist ein aktuelles Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 11.12.2019, Az. 1 BvR 3087/14). Waren Sie bei Bund, Ländern oder Gemeinden oder einer der beiden großen Kirchen beschäftigt, haben Sie während Ihres Arbeitslebens aller Wahrscheinlichkeit nach Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung erworben.

Um was ging es in der Sache?

Ein heute 84-jähriger Mann hatte in einer Verfassungsbeschwerde geltend gemacht, dass seine Zusatzrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) nach der falschen Steuerklasse berechnet wurde. Er war zuvor im öffentlichen Dienst beschäftigt. 1998 ging er unverheiratet in den Ruhestand. Im Jahr 2001 begründete der Mann eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Die Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft wurde erstmals aufgrund des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 16.2.2001 ermöglicht. Erst im Jahr 2006 informierte er die Versorgungsanstalt, dass er in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebe. Im Jahr 2011 schließlich beantragte er, dass seine Zusatzrente neu berechnet werde.

Welche Rolle spielt die Steuerklasse?

Korrekterweise wurde für die Berechnung der Zusatzrente ab dem Zeitpunkt seines Ruhestandes von 1998 bis zum Zeitpunkt der Eintragung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 die Steuerklasse 1 zugrunde gelegt. In der Steuerklasse 1 werden Sie eingeordnet, wenn Sie unverheiratet und kinderlos sind. Die Steuerklasse 1 ist die steuerungünstigste. Sie zahlen in dieser Klasse die höchsten Einkommensteuern.

Die Versorgungsanstalt berechnete die Zusatzversorgung dann ab dem Zeitpunkt der Mitteilung über die Eintragung seiner Lebenspartnerschaft, also ab dem Jahr 2006. Ab diesem Zeitpunkt war der Mann als eingetragener Lebenspartner in der steuergünstigen Steuerklasse 3 eingeordnet. Die Einordnung in die Steuerklasse 3 ab dem Zeitpunkt der Eintragung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 wurde jedoch abgelehnt. Als Begründung berief sich die Versorgungsanstalt darauf, dass für die Zeit ab der Eintragung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 bis zur Antragstellung im Jahr 2006 kein entsprechender Antrag vorliege und deshalb die Einordnung in die Steuerklasse 3 nicht möglich sei.

Wie entschied das Bundesverfassungsgericht?

Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass der Mann in seinem Grundrecht auf allgemeine Gleichbehandlung verletzt sei. Es sei zwar richtig, dass die Zusatzversorgung nur auf Antrag gewährt werde. Allerdings könne die Situation nicht mit einem in einer Ehe verheirateten Antragsteller gleichgesetzt werden. Ein eingetragener Lebenspartner hätte im Unterschied zu einem Ehepaar nach dem damals geltenden Recht nicht erkennen können, dass er auch für den Zeitraum ab der Eintragung der Lebenspartnerschaft einen Antrag hätte stellen müssen.

Die Notwendigkeit, einen Antrag stellen zu müssen, sei für eingetragene Lebenspartnerschaften nach dem Gesetzeswortlaut nicht ersichtlich gewesen, da eine Rentenberechnung auf Grundlage der günstigen Steuerklasse 3 nur für verheiratete Ehepartner vorgesehen war. Außerdem seien Rechtsprechung und Fachliteratur davon ausgegangen, dass eine Gleichstellung von Ehepaaren und Lebenspartnerschaften nicht geboten sei. Dies habe sich erst mit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2009 geändert. Insoweit sei es im Interesse der Gleichbehandlung von Ehen und gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften gerechtfertigt, die Zusatzversorgung rückwirkend auf den Zeitpunkt der Eintragung der Lebenspartnerschaft neu zu berechnen.

Was hat der Mann mit seiner Klage erreicht?

Mit seiner Verfassungsbeschwerde erreichte der Mann, dass seine Zusatzversorgung nicht erst ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Neuberechnung im Jahr 2011, sondern bereits rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Eintragung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 nach der wesentlich günstigeren Steuerklasse 3 berechnet wurde.

Was sollten Sie jetzt tun?

Leben Sie in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und haben Sie im öffentlichen Dienst gearbeitet, sollten Sie Ihren Bescheid über Ihre Zusatzversorgung dahingehend prüfen oder prüfen lassen, ab welchem Zeitpunkt die Versorgung nach der steuergünstigen Steuerklasse 3 berechnet wurde. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts haben Sie Anspruch darauf, dass Ihre Zusatzversorgung rückwirkend auf den Zeitpunkt der Eintragung Ihrer Lebenspartnerschaft nach der Steuerklasse 3 berechnet wird. Sollte dies nicht der Fall sein, sollten Sie ihre Zusatzversorgungskasse anschreiben und zu einer Neuberechnung auffordern.

Und noch ein Tipp: Ehegattensplitting auch für Lebenspartner

Bei der Gelegenheit sollten Sie auch prüfen, ob Sie nach dem steuergünstigen Ehegattensplitting einkommensteuerlich veranlagt wurden. Auch hier hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2013 verkündet, dass eingetragene Lebenspartner rückwirkend ab Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahr 2001 Anspruch darauf haben, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und nach dem Ehegattensplittingtarif besteuert zu werden. Eine Einschränkung besteht insoweit, als die Angelegenheit noch nicht verjährt sein darf. Haben Sie selbst bislang noch keine Einkommensteuererklärung abgegeben oder hat nur ein Partner sich steuerlich erklärt, können Sie in der Regel Ihre Einkommensteuererklärung bis zu vier Jahre rückwirkend einreichen oder eine fehlerhafte Veranlagung korrigieren lassen. Details klären Sie am besten mit Ihrem Steuerberater.

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